Verboten schön: Verfemte Musik bei den Salzburger Kulturtagen
Nach 1945 machte der Begriff der „Entnazifizierung“ die Runde. Nationalsozialistisches Gedankengut sollte getilgt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Es klappte nur zum Teil und fast nirgends so schlecht wie im musikalischen Bereich. Denn die Werke vertriebener jüdischer Komponisten blieben in der Versenkung verschwunden. Erst in den letzten Jahren begann eine intensive Auseinandersetzung mit der sogenannten verfemten Musik. Die Salzburger Kulturtage 2023 leisten einen wichtigen Beitrag dazu.
Propaganda und Ablenkung – das Musikverständnis der Nazis
Im Nationalsozialismus war alles reglementiert, auch die Musik. Nicht das Publikum entschied, was gefällt, sondern die Reichskulturkammer. Ihr vorrangiges Ziel war, jüdische und ausländische Einflüsse zu beseitigen – Jazz war fortan tabu, und „Nichtarier“ wurden de facto mit einem Berufsverbot belegt. Vielen betroffenen Künstlern blieb in dieser Situation nur der Gang ins Exil.
Was an Musik blieb, hatte dem Regime zu dienen oder wurde zumindest dahin umgedeutet. Richard Wagner gilt als Lieblingskomponist von Adolf Hitler, seine Heldenopern als Inbegriff des „Deutschen“. Auch in Beethovens „Fidelio“ sahen die Nazis ein völkisches Epos, ebenso standen Bach, Mozart, Haydn, Brahms und Bruckner hoch im Kurs.
Komponisten der Zeit konnten kaum in diese Sphären vordringen – und wenn, dann mit Unterhaltungsmusik. Während der Volksempfänger anfangs noch motivierende Märsche verbreitete, waren nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor allem liebliche Schlager angesagt. Swing- und Jazz-Anleihen wurden dabei geduldet: Dem Regime war alles recht, was sein Volk von der erschütternden Realität ablenkte.
Flucht ins Paradies – verfemte Komponisten in Hollywood
Alles bis auf verfemte (oder im ursprünglichen Jargon: entartete) Musik. Jüdische Musikschaffende wurden zunächst ihrer Ämter an Hochschulen und Konzerthäusern enthoben, ihre Werke aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt. Wer nicht rechtzeitig flüchtete, wurde später verfolgt und interniert. Einige NS-Opfer verstarben in der Gefangenschaft, unter ihnen 1942 Erwin Schulhoff, einer der kreativsten Vertreter der Neuen Musik.
Andere suchten das Weite und landeten schließlich in den USA, genauer gesagt in Hollywood. Hanns Eisler zum Beispiel, der zweimal für den Oscar nominiert war, ehe er der amerikanischen Kommunistenverfolgung zum Opfer fiel und das Land wieder verlassen musste. Er arbeitete noch lange als Komponist und schrieb unter anderem die Musik zur DDR-Hymne „Auferstanden aus Ruinen“.
Viermal wurde Werner Richard Heymann für den wichtigsten US-Filmpreis nominiert, sein bekanntestes Werk ist aber wohl der gefühlvolle Schlager „Irgendwo auf der Welt“, der durch die Comedian Harmonists international populär wurde. Im Gegensatz zu Eisler und Heymann hat Erich Wolfgang Korngold den Oscar sogar zweimal gewonnen, für „Ein rastloses Leben“ und „Robin Hood – König der Vagabunden“. 1934 emigriert, blieb er anders als seine Kollegen bis zu seinem Tod im Jahr 1957 in Übersee.
Salzburger Kulturtage – Wiederentdeckung der Kunstschätze
Schulhoff, Eisler, Heymann und Korngold sind am 5. Oktober 2023 im Großen Saal der Stiftung Mozarteum zu hören. Die Würth Philharmoniker unter Claudio Vandelli erwecken die Werke der verfemten Musiker unter dem bezeichnenden Titel „Verboten schön“ zu neuem Leben. Abgerundet wird das Programm mit dem Konzert für Violoncello und Streichorchester von Mieczysław Weinberg. Der gebürtige Pole jüdischer Herkunft musste 1939 ebenfalls vor den Nazis fliehen und wurde in der Sowjetunion sesshaft. Als Solo-Cellist ist in Salzburg der junge Deutsche Maximilian Hornung (auf unserem Titelfoto) zu sehen und zu hören. Tickets gibt‘s hier.
Einen schwungvollen, aber nicht minder nachdenklichen Zugang zum Thema „Verfemte Musik“ wählt am 7. Oktober, ebenfalls im Großen Saal der Stiftung Mozarteum, das Ballaststofforchester mit Dirigent Egon Achatz. Im Wechselspiel mit Schauspieler und Moderator Christoph Wagner-Trenkwitz wird unter anderem das Titellied des Abends, „Ein Freund, ein guter Freund“, dargeboten. Der berühmte Marsch, gesungen von der niederösterreichischen Sopranistin Daniela Fally, stammt aus der Feder von Werner Richard Heymann. Seine Tochter Elisabeth Trautwein.Heymann wird bei der Veranstaltung als Ehrengast erwartet. Hier geht’s zum Ticketshop.
Beide Konzerte im Rahmen der Salzburger Kulturtage zeigen, welche Kunstschätze beinahe in Vergessenheit geraten wären – und dass es höchste Zeit ist, diese Schätze aus der Versenkung zu holen.
Titelbild: Marco Borggreve