Klassische Musik – was ist das eigentlich?
„Wir gehen in ein klassisches Konzert.“ Wir alle wissen, was damit gemeint ist. Man besucht eine Veranstaltung, zum Beispiel im Salzburger Festspielhaus. Wahrscheinlich ein Konzert der Salzburger Kulturvereinigung, die der größte Veranstalter in der Mozartstadt ist. Ein großes Orchester ist wohl dabei mit vielen Streichern, Blasinstrumenten, Pauken, Schlagwerk und eventuell Klavier oder Harfe. Schwieriger ist es schon bei der Musik, denn umgangssprachlich kann „Klassik“ alles sein:
- mittelalterliche Kirchenklänge
- die kontrapunktische Barockmusik Bachs und Händels
- Kompositionen der großen Meister Haydn, Mozart und Beethoven
- gefühlvolle Melodien von Brahms und anderen Romantikern
- impressionistische Motive im Stil von Debussy und Ravel
- die Zwölftonmusik à la Arnold Schönberg
Ein Musikwissenschaftler hätte wohl schon zu Beginn dieser Aufzählung die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, denn für ihn ist klassische Musik viel enger definiert. Er meint die Wiener Klassik von ca. 1760 bis 1827, maximal noch die Vorklassik ab etwa 1730. Ob er recht hat oder doch der „Volksmund“? In gewisser Weise beide, deshalb wollen wir uns in diesem Blogbeitrag den unterschiedlichen Klassik-Begriffen annähern.
800 Jahre klassische Musik
Beginnen wir mit der breiten, umgangssprachlichen Bedeutung von klassischer Musik. Sie umfasst so ziemlich alles, was in großen Konzertsälen aufgeführt wird und als E-Musik („ernste Musik“) von der U-Musik („Unterhaltungsmusik“) getrennt wird. Die Grenzen zwischen beiden Bereichen sind fließend, die Trennung höchst umstritten. Sie wird eigentlich nur im deutschsprachigen Raum gebraucht und dient hier als Argument für unterschiedliche Fördermodelle und Tantiemen.
Sinnvoller erscheint es, sich die Epochen vom 12. bis zum 20. Jahrhundert – sie entsprechen im Wesentlichen unserer Aufzählung – genauer anzusehen und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Da wäre zunächst die Notation: Schon im Mittelalter wurde Musik aufgeschrieben, das heutige Notensystem bildete sich vor rund 1.000 Jahren heraus, sodass Tonhöhe und -länge ersichtlich wurden. Im 16. Jahrhundert kamen die Takte dazu, mit denen ein Musikstück in Abschnitte gleicher Länge gegliedert wurden. Musiker:innen können mit dieser Systematik auch Akzente in der Musik bestimmen.
Notation und Instrumente als gemeinsame Nenner
Ein zweiter gemeinsamer Nenner ist die Instrumentalisierung. Die elektronische Sound-Erzeugung mit E-Gitarre oder Keyboard hat in der klassischen Musik nur selten Platz. Stattdessen wurden stets Musikinstrumente mit natürlichen Klangkörpern benutzt. Von einfachen Flöten und mächtigen Orgeln im Mittelalter bis zum großen Symphonieorchester mit 100 oder mehr Instrumentalist:innen. Bis heute kommen auch Soloinstrumente zum Einsatz.
Oftmals wird für alle Stilrichtungen noch ein hoher Anspruch angenommen, was Komposition und Vortrag betrifft. Hier stellt sich aber das gleiche Problem wie bei der E/U-Trennung: Es gibt auch komplexe Popmusik-Werke und ausgezeichnete Sänger:innen und Musiker:innen, die diese Werke vortragen.
Klassik, oder: als Wien die Musikhauptstadt war
Einfacher und klarer lässt sich der musikwissenschaftliche Klassik-Begriff eingrenzen. Die Anfänge werden in der Zeit datiert, als Klassik-Wegbereiter Joseph Haydn zunächst in Pilsen und etwas später bei den Esterházys in Eisenstadt feste Anstellungen fand, die ihm erlaubt haben, seinen Kompositionsstil weiterzuentwickeln. Das Ende wird oft mit Beethovens Tod im Jahr 1827 gleichgesetzt.
„Wiener Klassik“ heißt die Epoche, weil sich die Hauptstadt des Habsburger-Reiches damals zu einem weltweit beachteten Musikzentrum entwickelt hat. Kaiser Joseph II. war selbst Musiker und ein großer Förderer der Szene, sein Sohn und Erzherzog Rudolf war einer der wichtigsten Unterstützer von Ludwig van Beethoven. All das zog Musiker aus dem gesamten Reich an – keiner der drei Großmeister Haydn, Mozart und Beethoven wurde in Wien geboren, doch zwischendurch zog es alle in die Kulturmetropole.
Die Kunst der scheinbaren Leichtigkeit
Kennzeichen der Wiener Klassik waren die scheinbar leichten, eingängigen Melodien. Es wurde oft ein Hauptthema verwendet, um das herum mit Varianten, Abwandlungen und Übergängen ein größeres Stück komponiert wurde. Die Basslinien wurden nun ebenfalls notiert, die barocke Improvisationskunst war damit Geschichte. Und auch der „Witz“ hielt in der Musik Einzug: ein vorgetäuschtes Ende, ein plötzliches Fortissimo – davor undenkbar, nun gerne verwendete Stilmittel.
Wollt ihr mal versuchen, das Hauptmotiv in einem Mozart-Konzert rauszuhören? Oder das verbindende Element zwischen zeitgenössischer Musik und Wiener Klassik entdecken? Mit der Salzburger Kulturvereinigung und ihrem Jahresprogramm 2023/2024 kein Problem. Zumal es hier mit dem „Musik:Kaleidoskop“ auch immer wieder einfach verständliche Werkeinführungen gibt. Es lohnt sich jedenfalls! Denn egal, ob man den engen oder weiten Klassik-Begriff verwendet, es geht stets um Musik, die Emotionen weckt.
Titelbild: SKV/Leopold