Klassik

Wie man junge Menschen für Klassik begeistert

Die Eltern genießen schöne Klassik-Abende im Großen Festspielhaus, doch aus dem Kinderzimmer dröhnt Techno. Das wirft Fragen auf, zum Beispiel: Wie entwickeln Jugendliche ihren Musikgeschmack und wie verändert er sich im Laufe der Jahre? Kann und soll man den Musikgeschmack steuern? Wie begeistert man die eigenen Kinder für Mozart, Beethoven und Co.? Und wo berühren sich die Musikwelten der Eltern und Kinder?

Eine gute Nachricht vorneweg: Ohne Musik geht’s nicht. Was immer die Söhne und Töchter also hören, es ist – wenngleich für die ältere Generation nicht immer nachvollziehbar – Musik. Der deutsche Arzt und Neurowissenschaftler Eckart Altenmüller hat in seinem 2018 erschienenen Buch „Vom Neandertaler in die Philharmonie“ dargelegt, dass sie für den Menschen das Reservat des Nicht-mit-Worten-Sagbaren ist und somit neben der Sprache ein zweites Kommunikationssystem. Deshalb haben sich überall auf der Welt Musikstile entwickelt, noch ehe es zu einem Austausch der Kulturen gekommen ist. Das bedeutet auch: Jeder Mensch hat einen Musikgeschmack.

Der Musikgeschmack – eine Gleichung mit vielen Variablen

Aber wie entsteht dieser Musikgeschmack? Einfache Erklärungen, zum Beispiel über den sozialen Stand oder das Bildungsniveau, halten wissenschaftlichen Untersuchungen nicht stand. In Wirklichkeit gibt es viele Variablen, die zusammenspielen. Das beginnt im Mutterleib, wenn sich das Gehör entwickelt und erste Töne verarbeitet. Natürlich spielen Eltern, ältere Geschwister und später Freunde eine Rolle. Und die eigene Entwicklung: Teenager wollen sich von der Masse abheben, besonders sein und hinterfragen alles, was ihnen ihr vertrautes Umfeld vorgibt.

Das Gute an der Pubertät ist, dass sich die meisten von uns in dieser Phase besonders intensiv mit Musik auseinandersetzen. Im Erwachsenenalter weiß kaum noch jemand, wer die Charts anführt (oder kennt zumindest die Songs nicht mehr), welcher Star ein neues Album herausgebracht hat und welche Stile gerade im Trend liegen. Jugendliche sind bei diesen Themen absolut sattelfest. Erst mit Mitte 20 hat sich der persönliche Musikgeschmack weitgehend verfestigt.

Möglichkeiten, den Geschmack zu beeinflussen

Doch lässt sich der Musikgeschmack bis dahin – und vielleicht auch darüber hinaus – beeinflussen? Zumindest kurzfristig gelingt das mit magnetischer Stimulation, wie Forscher:innen der McGill University in Montreal belegt haben. Wenn beim Musikhören bestimmte Teile des Gehirns stimuliert werden, regt das die Dopamin-Ausschüttung an. Mit anderen Worten: Wir haben das Gefühl, dass wir durch das Hören der Musik belohnt werden, und reagieren entsprechend positiv.

Hat man keine Magnetresonanzapparatur zur Hand, hilft die Beschäftigung mit Musik. Wer viele Stile kennt oder sogar selbst ein Instrument spielt, entwickelt einen breiteren Geschmack. Eine 2015 veröffentlichte Studie des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik in Frankfurt/Main hat bereits eine neue Form von Hörer:innen ausgemacht: die musikalischen „Allesfresser“, die – mit Schwerpunkt auf Klassik und Jazz – viele verschiedene Stile in ihrem Musikgeschmack vereinen. Auf der anderen Seite stehen laut Studienleiter Paul Elvers die eingefleischten Rock-Fans, die kaum andere Einflüsse zulassen.

Kinder und Klassik: 4 Tipps

Aber was bedeutet das nun für Eltern, die ihre Kinder aus der Rock-Ecke holen und ihnen die weite Welt der klassischen Musik vor Ohren führen wollen? Unser Fahrplan umfasst vier Tipps:

1. Altersgerechte Ansprache

Man kann Vierjährige nicht gleich behandeln wie Zwölfjährige, das muss man auch bei der Musik beachten. Die Kleinsten sind besonders offen für unterschiedliche Musikformen und bereits glücklich, wenn sie spielerisch mitklatschen können. Achtjährige fesselt man am besten mit spannenden Geschichten zum Gehörten – hier eignet sich zum Beispiel Programmmusik à la „Peter und der Wolf“. Noch später folgt statt der elterlichen die gesellschaftliche Assoziation – wenn die Kids nun in einem Orchester musizieren, ist man auf der sicheren Seite.

2. Musik in den Alltag integrieren

Apropos Musizieren: Eltern sind für ihre Kinder in jeder Hinsicht Vorbilder. Wenn sie sich daheim intensiv mit Musik beschäftigen, tut es auch der Nachwuchs. Wenn sie ein Instrument spielen oder singen, interessieren sich auch die Kinder dafür. In jedem Fall sollte man Musik verschiedener Genres zu einem festen Bestandteil des familiären Alltags machen, allerdings nicht zwanghaft, weil sich die jungen Menschen sonst vor den musikalischen Inputs verschließen.

3. Das Live-Erlebnis

Musik hören ist gut. Musik erleben besser. Jede:r hat wohl schon mal nach einem Konzert eine CD gekauft, denn live werden wir viel stärker in den Bann des Gehörten gezogen und für die Musik begeistert. Bei klassischer Musik trifft dies in besonderem Maß zu, weil große Orchester eine enorme Kraft entfalten, die sich beim „Nachhören“ nur bedingt vermitteln lässt.

4. Klassik als Event

Last but not least: Kinder und Jugendliche wollen etwas erleben. Auch ein klassisches Konzert kann ein solches Erlebnis sein, wenn Veranstalter:innen und Künstler:innen kreative Ansätze finden, die Musik zu präsentieren. Selbst ein bisschen Spaß ist erlaubt, um die Klassik von ihrem steifen und elitären Image zu befreien. Speziell die jüngere Musiker:innen-Generation hat das erkannt und beweist im Kontakt mit dem Publikum durchaus Entertainer-Qualitäten.

Nachwuchsförderung bei der Kulturvereinigung

Neben anderen Musik-Institutionen verfolgt auch die Salzburger Kulturvereinigung das Ziel, junge Menschen an die Klassik heranzuführen. Das passiert über Schulpartnerschaften, jährliche Schüler- und Lehrlingskonzerte und nicht zuletzt durch ein spezielles U27-Angebot. Bis zum 27. Geburtstag erhalten Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ihre Vorverkaufskarten zum Sonderpreis – jeweils für die beste verfügbare Kategorie.

 

Titelbild: Salzburger Kulturvereinigung/ebihara Photograph