Mozarts „Rockstar-Faktor“: Auf den Spuren des Musikgenies
„Rockstar“ ist längst zu einem Allgemeinbegriff geworden. Erfolgreiche Fußballer mit weiblichen Fans und Tattoos werden ebenso als Rockstars bezeichnet wie gepiercte Models oder unkonventionelle Politiker:innen. Allein das zeigt: Die echten Rockstars sind eine aussterbende Rasse. Es sind Künstler:innen, die sich in kein Schema drängen lassen, das Motto „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ wörtlich nehmen und mit ihrem Auftreten Denken und Outfits der jungen Generation prägen. Menschen also wie Mick Jagger, Freddie Mercury, Kurt Cobain … und Wolfgang Amadeus Mozart?!
Das Klassik-Genie wird gerne als Rockstar seiner Zeit dargestellt – das Bild wurde insbesondere durch Falcos Superhit „Rock me Amadeus“ geprägt. Höchste Zeit, dem Klischee auf den Grund zu gehen und sich die Frage zu stellen: Wie hoch war Mozarts „Rockstar-Faktor“ wirklich? Und wo kann man die Musik des Genies demnächst hören?
Hat Mozarts Musik „gerockt“?
Zunächst: Mozart hat keinen eigenen Musikstil erfunden (die zeitgenössischen Rockstars übrigens auch nicht). Die Klassik gab es schon vor und noch nach ihm. Was er aber vermochte: Er hat jede musikalische Strömung aufgenommen und konnte sie in seine Kompositionen integrieren, von der kontrapunktischen Technik der Barock-Meister Bach und Händel über die Verspieltheit Haydns und das Pathos der italienischen Opern bis zu den ersten Ansätzen der romantischen Musik.
Das Ergebnis ist unverkennbar. Mozarts Kompositionen erkennt man auch, wenn man sich mit klassischer Musik nur am Rande beschäftigt. Er verbindet eingängige, scheinbar leichte Melodien mit hohem musikalischem Anspruch. Klingt doch ganz nach Rock, oder?
Rockstar-Faktor: 8 von 10
War Mozart ein Rebell?
Hier kommt einem zunächst die Mozart-Darstellung aus dem preisgekrönten Film „Amadeus“ in den Sinn. Hollywood zeichnet das Bild eines ewigen Kindes – verspielt, manchmal primitiv und seinen weniger talentierten Zeitgenossen gegenüber respektlos. Sein Verhalten stand im extremen Gegensatz zu seinem musikalischen Genie. Vertraut man diversen Originaldokumenten, unter anderem Briefen seiner Schwester Nannerl, kommt diese Darstellung der Realität sehr nahe. Verhält sich so ein Rebell? Kaum.
Tatsächlich sind nur wenige Momente des Aufbegehrens aus seinem Leben überliefert. Die meisten betreffen das schwierige Verhältnis zu seinem Vater, der sowohl seine Entscheidung, Salzburg zu verlassen, als auch die Heirat mit Constanze Weber missbilligte. Die einzige außerfamiliäre Obrigkeit, der er sich jemals widersetzt hat, war Fürsterzbischof Colloredo (im Musical „Mozart!“ ausführlich thematisiert). Er brach mit seinem Arbeitgeber und entschied sich für ein freies Künstlerleben in Wien.
Rockstar-Faktor: 3 von 10
War Mozart ein Frauenheld?
Mehrmals spielt Falco in „Rock me Amadeus“ auf Mozarts Wirkung auf Frauen an. Tatsächlich dürfte der Maestro keine Schönheit gewesen sein. Auffällig klein, blass, ein vernarbtes Gesicht und ein im Vergleich zum Körper überdimensionierter Kopf – so beschrieben ihn Zeitgenossen. All diese Makel versuchte er mit prunkvollen Perücken und teurer Kleidung zu kompensieren. Mit Erfolg, denn tatsächlich war er kein Kind von Traurigkeit.
Vor allem Opernsängerinnen und Klavierschülerinnen verfielen dem kleingewachsenen Genius. Sie sahen wohl am deutlichsten, dass sich hinter dem unansehnlichen Äußeren des Komponisten schier grenzenlose Musikalität verbarg.
Rockstar-Faktor: 7 von 10
War Mozart ausschweifend?
Falco gab Frauen und Alkohol die Schuld daran, dass Mozart knapp bei Kassa war. Zunächst muss man festhalten, dass er erst in seinen letzten Lebensjahren in Schulden versank – und selbst in dieser Zeit noch recht gut verdiente. Allein: Er konnte nie gut mit Geld umgehen und wurde im Lauf der Zeit zusehends spielsüchtig. Wenn ihn darüber hinaus eine Frau Geld kostete, dann nur Ehegattin Constanze. Auch dem Alkohol war er, so weit sich das nachvollziehen lässt, nicht mehr zugetan als die meisten seiner Zeitgenossen.
Rockstar-Faktor: 6 von 10
War Mozart ein Star?
Diese Frage muss man im Lichte des 18. Jahrhunderts und der damaligen Verhältnisse beurteilen. Massenmedien gab es damals noch nicht und damit auch keine Stars im heutigen Sinn. Gut situierte Komponisten profitierten von privaten Geldgebern oder waren sogar bei Herrscherhäusern angestellt. Ihre Werke wurden in großen Opernhäusern und Konzertsälen aufgeführt und blieben damit der Oberschicht vorbehalten.
Der Wiener Adel kannte zwar den Namen Mozart und vielleicht das eine oder andere Werk von ihm. Ein Dauergast in der High Society und damit auf den großen Bühnen war er aber nie. Dem einfachen Volk wurde seine Musik erst mit der „Zauberflöte“ so richtig zugänglich, die im Volkstheater aufgeführt wurde. Der ganz große Ruhm kam nach Mozarts Ableben.
Rockstar-Faktor: 5 von 10
Mozart ist heute mehr Rockstar als zu Lebzeiten
Zusammengefasst: Nein, Mozart war kein Rockstar, zumindest nicht zu Lebzeiten. Sein Rockstar-Faktor lag unter dem Strich etwa bei 6. Heute wäre er wohl wesentlich höher, denn schon kurz nach dem Tod des Komponisten begann der Mozart-Hype. Heute ist er der berühmteste Komponist aller Zeiten: Keine Oper wird so häufig aufgeführt wie die „Zauberflöte“, und in den Klassik-Verkaufscharts hängt er Mitbewerber wie Beethoven, Schubert, Wagner und Bach meilenweit ab. Falco hat also recht, wenn er singt: „Und alles ruft noch heut: ‚Come on rock me Amadeus!‘“ Doch nicht sein Leben, sein Star-Appeal oder seine gesellschaftliche Wirkung sind Gründe für diese ungebrochene Popularität, sondern einzig seine unvergleichliche Musik.
Davon überzeugen kann man sich schon zu Beginn der neuen Spielsaison der Salzburger Kulturvereinigung. Die Dresdner Philharmonie gibt am 27. September im Rahmen eines Konzertabends im Großen Feststpielhaus unter anderem die pulsierende Overtüre der Oper „Le nozze di Figaro“ zum Besten. Die perfekte Gelegenheit, sich mit Mozart vertraut zu machen, insbesondere für junge Menschen unter 27, die Vorverkaufskarten für nur 13 Euro erhalten. Den Überblick über das gesamte Programm der Kulturvereinigung in der Saison 2023/2024 findet ihr hier.