Klassik

Erkennt ihr sie? Kennzeichen verschiedener Klassik-Stile

Klassik ist nicht gleich Klassik. Selbst wenn man den engeren Klassik-Begriff anwendet und nur das 18. und beginnende 19. Jahrhundert als Maßstab nimmt, sind Unterschiede hörbar. Noch deutlicher wird die unglaubliche Vielfalt der Musik-Stile, wenn man Klassik weiter fasst und die Entwicklung vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert betrachtet. Genau das tun wir in diesem Blogbeitrag – damit auch ihr im Konzertsaal demnächst auftrumpfen könnt.

Mittelalter: Von der Ein- zur Mehrstimmigkeit

Das Mittelalter wird gerne mit dem Beiwort „finster“ charakterisiert. Die Kirche stand über allem und sorgte für gesellschaftlichen Stillstand. Umso mehr überrascht es, dass das Mittelalter musikalisch eine Ära des Fortschritts war.

Aus den gregorianischen Chorälen – einstimmige, fast meditative Mönchsgesänge – entwickelten sich nach der ersten Jahrtausendwende mehrstimmige Kompositionen. Auch Rhythmen wurden zusehends hörbar. Vorherrschende Instrumente waren zunächst noch Flöte, Schalmei und Sackpfeife; erst nachdem die Kirche das Verbot von Instrumenten in ihren Gotteshäusern aufgehoben hatte, begann die große Zeit der Orgel.

Doch nicht nur in heiligen Hallen erklang nun Musik: Spielleute und Minnesänger trugen die Stücke aus den Gotteshäusern nach außen. Wie ihre Darbietungen klangen, kann man sich bis heute gut ausmalen, denn Bands wie „In Extremo“ und „Schandmaul“ haben die alte Musik in ein neues Kleid gepackt und ein regelrechtes Mittelalter-Revival eingeleitet.

Renaissance: Eine neue Klangordnung

Im 16. Jahrhundert entwickelte sich die Vierstimmigkeit zum musikalischen Idealbild, sowohl in der Vokal- als auch in der Instrumentalmusik. Zu Sopran, Alt und Tenor gesellte sich die Bassstimme. Dur- und Molltonarten, Akkorde und durch Terzen und Sexten getrennte Dreiklänge statt der Quinten und Quarten des Mittelalters, all das trug zu einer neuen Harmonie und Verständlichkeit der Musik bei.

Die Messe wurde zu einem wichtigen Kompositionsformat, doch auch die erste Oper der Musikgeschichte entstand. Sie heißt „L’Orfeo“ und stammt von Claudio Monteverdi, einem der bedeutendsten Komponisten dieser Ära. Das Thema, die tragische Liebesgeschichte von Orpheus und Euridice, ist bezeichnend für die Verherrlichung der Antike in dieser Epoche.

Barock: Das Generalbasszeitalter

Es ist selten, dass eine musikalische Technik namensgebend für ein ganzes Zeitalter wird. Doch der Generalbass prägte die Jahre zwischen 1600 und 1750 so sehr, dass Musikwissenschaftler dem Barock diesen Beinamen gaben. Gemeint ist die neue Notationsform: Die tiefsten Basstöne wurden notiert, passende Begleit-Akkorde mit Ziffern beschrieben. Den Musikern blieb somit ein gewisser Gestaltungsspielraum, um die dominierende Melodie zu untermalen.

Der Klang war durch starke Kontraste geprägt: Wechsel der Klangfarbe, der Melodik und der Dynamik gehörten zum musikalischen Handwerkszeug. Auch Kontrapunkt-Kompositionen, in denen sich quasi zwei Melodien gegenüberstanden, waren an der Tagesordnung. Ein Meister dieses Fachs war Johann Sebastian Bach, der berühmteste Vertreter der damaligen Zeit. Und einer der fleißigsten, denn sein Werk umfasst 1.126 Musikstücke. Viele davon wurden mit dem Cembalo begleitet, das im Barock seine Blütezeit erlebte.

Wiener Klassik: Glückliche Zeiten

Auch als Laie erkannt man sofort, dass man Mozart hört, wenn man Mozart hört. Aber die wenigsten von uns wissen, woran das liegt. Die Wiener Klassik (ca. 1750 bis 1830) zeichnete sich durch eine klare Melodieführung mit wiederkehrenden Hauptmotiven aus – Bass-Improvisationen wie im Barock waren passé. Mozart sowie seine Zeitgenossen Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven komponierten vor allem Instrumentalmusik. Doch auch die Opern des Salzburger Musik-Genies zählen bis heute zu den meistaufgeführten Klassik-Werken.

Im Orchestergraben gab es ebenfalls eine klare Struktur, die sich seitdem etabliert hat. In Sinfonieorchestern sitzen die Streicher ganz vorn, die Bläser dahinter. Schlagwerk und Pauken sind ganz hinten positioniert und vervollständigen den Klangkörper. Die Musik klingt beschwingt und glücklich, nur gelegentliche dramatische Einwürfe kontrastierten die hellen Dur-Harmonien.

Unser Beispiel: Mozarts Klavierkonzert in C-Dur, KV 503, das am 21. Dezember 2023 im Großen Festspielhaus in Salzburg zu hören ist. Bei der Veranstaltung der Salzburger Kulturvereinigung zeigt der Schweizer Star-Pianist Francesco Piemontesi sein Können.

Romantik: Die Welt der Gefühle

Der Name ist ein wenig Programm: Romantikern geht es nicht darum, was ist. Sie flüchten aus der Wirklichkeit in eine Welt der Träume, Wünsche, Gefühle und Sehnsüchte. Auch die Musik betont Empfindungen und versucht sie klanglich auszudrücken. Dies passiert auf vielfältige Weise: von den Liedern Franz Schuberts über die Klavierkonzerte Chopins bis zu den monumentalen Opern von Richard Wagner. Eine neue musikalische Ausdrucksform war die Programmmusik: „Die Moldau“ von Bedrich Smetana beschreibt den Verlauf des tschechischen Flusses, die einzelnen Sätze von Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ beziehen sich auf Gemälde und Zeichnungen seines Freundes Viktor Hartmann.

Die Emotionen werden vor allem durch Dynamik und Tempowechsel erzeugt, die genau notiert sind. Die recht strikte Harmonielehre der Wiener Klassik wird aufgeweicht und letztlich komplett durchbrochen. Ein Beispiel für den romantischen Klassik-Stil ist das Violinkonzert in D-Dur von Johannes Brahms, das durch die meisterhafte Verknüpfung des Soloinstruments mit einer großen symphonischen Erzählung besticht. Die gefeierte Violinistin Arabella Steinbacher geigt am 16. November 2023 im Großen Festspielhaus auf.

Neue Musik: Alles ist möglich

„Neue Musik“ bezeichnet die vielfältigen E-Musik-Strömungen ab 1910. Sie umfasst Klassik-Stile von der Zwölftonmusik Arnold Schönbergs über die elektronischen Klänge von Karlheinz Stockhausen bis zur Experimentalmusik von John Cage, der das Konzept Musik an sich hinterfragt und neu interpretiert hat.

Als Übergangsphase zwischen Romantik und Neuer Musik können Impressionismus und Expressionismus gesehen werden. Impressionisten wie Debussy erzeugten sonore musikalische Klangteppiche. Expressionisten wie Strauss stellten mit Dissonanzen, freier Rhythmik, extremer Dynamik und immer wieder zerfallenden Melodien schonungslos die Realität dar.

Der Vergleich macht euch sicher: Am 18. Jänner 2024 präsentieren die Wiener Symphoniker den Parade-Romantiker Felix Mendelssohn-Bartholdy und die Sinfonietta von Erich Wolfgang Korngold, einem Vertreter der modernen Klassik. Mal sehen, ob ihr die Unterschiede raushört …

 

Titelbild: Salzburger Kulturvereinigung/Leopold