Anton Bruckner

200 Jahre Anton Bruckner – auf den Spuren des Phänomens

Kritiker sahen in Anton Bruckner aufgrund seiner unkonventionellen Kompositionsweise einen gefährlichen Neuerer, Fans verklärten ihn wegen seines religiösen Backgrounds als eine Art musikalischen Messias. Wer aber war Anton Bruckner wirklich? Was macht ihn zu einem der bedeutendsten Musikschaffenden der Romantik? Und warum hat er schon zu Lebzeiten so sehr polarisiert? Die Salzburger Kulturvereinigung nimmt Bruckners 200. Geburtsjahr zum Anlass, sich intensiv mit Leben und Werk des Komponisten auseinanderzusetzen – unter anderem in diesem Blogbeitrag.

 

Der Sonderling und die Kritiker

Joseph Anton Bruckner, so sein vollständiger Name, wurde 1824 im oberösterreichischen Ansfelden geboren. Heute ist der Ort mit der bekannten Autobahnraststätte eine Stadt, damals war er noch ein kleines Dörfchen. Dies wäre keine Erwähnung wert, wenn Bruckner von seinen Gegnern nicht als provinzieller Sonderling abgestempelt worden wäre. Ein Urteil, zu dem weniger seine Musik beigetragen haben dürfte als seine untersetzte Statur und seine Schwierigkeiten, sich in der Großstadt Wien an die dortigen sozialen Gepflogenheiten anzupassen.

Jedenfalls hat der ständige Streit mit Kritikern wie Eduard Hanslick oder Max Kalbeck dem ohnehin nicht stark ausgeprägten Selbstbewusstsein Bruckners weiter zugesetzt. Dieses mangelnde Selbstbewusstsein war wohl der Grund dafür, dass er erst mit knapp 40 vom Lehrer und (virtuosen) Organisten zum hauptberuflichen Komponisten wurde. Noch viel später, als 60-Jährigem, gelang ihm mit der 7. Sinfonie der ganz große Durchbruch. Der alternde „Herr Professor“ wurde zum Star seiner Zeit, sodass letztlich selbst Hanslick zähneknirschend zugeben musste: „Es ist nicht unmöglich, dass diesem traumverwirrten Katzenjammerstil die Zukunft gehört.“

 

Zwischen den musikalischen Fronten

Was aber brachte Eduard Hanslick und seine Zeitgenossen so in Rage? Das ist zunächst im Kontext der damaligen Zeit zu sehen. Es gab im späten 19. Jahrhundert eine tiefe Kluft zwischen den von Richard Wagner angeführten musikalischen Reformern und den Traditionalisten um Johannes Brahms – hier ging es auch um den Gegensatz zwischen Programmmusik und absoluter Musik. Eduard Hanslick war Wortführer der Brahms-Fraktion und rechnete Anton Bruckner der Gegenseite zu, weil dieser ein bekennender Wagner-Fan war.

Doch richtig einordnen – und das war wohl sein eigentliches Problem – ließ sich der Oberösterreicher nirgends. Trotz seiner Verehrung für Wagner blieb er von dessen Stil weitgehend unbeeinflusst. Im Gegenteil: Während Wagner die Sinfonie als musikalische Form für veraltet hielt, feierte Bruckner damit seine größten Erfolge.

 

Das Besondere am Bruckner-Stil

Dass sich Anton Bruckner keiner Stilrichtung seiner Zeit zuordnen ließ, darf schon als erstes Kennzeichen seines Kompositionsstils gesehen werden. Eigentlich muss man sein Werk sogar zweiteilen – in die Kompositionen vor und nach 1864. Während seine frühen Messen und Chorwerke noch in der Tradition der Wiener Klassik standen, fand er danach einen ganz eigenen Zugang zur Musik, mit dem er letztlich die Gattung der Sinfonie zu einer neuen Blüte führte.

Offiziell schrieb Bruckner neun große Sinfonien. Dazu kommen die „Studiensinfonie“ in f-Moll, mit der er sein Studium der freien Komposition abschloss, und die sogenannte „Nullte“, die er zwei Jahre nach ihrer Fertigstellung zurückzog. Die neunte und letzte Sinfonie blieb unvollendet. Kennzeichen seiner sinfonischen Werke waren die enorme Aufführungslänge (oft mehr als eine Stunde), die üppige Orchestrierung und die Weiterentwicklung seiner Grundthemen hin zu einem bombastischen finalen Fortissimo. Allen Werken wohnt somit eine feierlich-monumentale Dramatik inne.

Bruckner setzte sich über die bis dahin bekannten Prinzipien der Harmonielehre hinweg und ging auch rhythmisch neue Wege. Das Neben- oder Übereinander von Zwei- und Drei-Schlag-Mustern wurde als unverkennbares Merkmal seiner Kompositionen zum sogenannten „Bruckner-Rhythmus“.

 

Einfluss auf die Nachwelt

Anton Bruckner übte einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Musik aus. Mit der unvollendeten neunten Symphonie nahm er die Zwölftontechnik von Arnold Schönberg vorweg, ebnete der Monumentalsinfonik Gustav Mahlers und dessen aufwendiger Orchestrierung den Weg und beeinflusste Komponisten wie Paul Hindemith, Wilhelm Furtwängler und Dmitri Schostakowitsch.

Ein dunkles Kapitel der Bruckner-Verehrung ist der Missbrauch seiner Person und seiner Musik im Nationalsozialismus. Er wurde zum Sinnbild des „Arisch-Deutschen“, seine Biografie zurechtgebogen, um dem Klischee von germanischem Ruhm und jüdischer Unterdrückung gerecht zu werden. Lange beeinflusste dies die Musikwelt allerdings nicht, denn im Unterschied zu Richard Wagner trat Bruckner nie mit antisemitischen Äußerungen in Erscheinung.

 

Anton Bruckner: Das Jubiläum in Salzburg

Auch in Salzburg wird Anton Bruckner im Jubiläumsjahr 2024 ausgiebig gefeiert:

  • Schon in wenigen Wochen, am 22. und 23. Mai, führt das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Ivor Bolton die berühmte siebte Sinfonie in E-Dur auf.
  • Die Musik:conText-Lesung „Der Hagestolz“ am 8. Juni in der Großen Universitätsaula wird ebenfalls von Bruckner-Melodien begleitet.
  • Von 16. bis 18. Oktober findet ein Bruckner-Special statt, im Rahmen dessen drei verschiedene Orchester die vierte, fünfte und sechste Sinfonie zum Besten geben.
  • Das Orchester der Salzburger Kulturvereinigung präsentiert im Rahmen einer Sonntagsmatinee am 10. November die Studiensinfonie.

Tickets für alle Veranstaltungen sind hier erhältlich.