Trakl

Willkommen im Trakl-Jahr 2024

Im Vorjahr wurde das 50-jährige Bestandjubiläum der „Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte“ gefeiert. Doch auch 2024 ist ein Trakl-Jahr, denn vor 110 Jahren ist der große Salzburger Poet – viel zu früh – von uns gegangen. In unserem Blog wollen wir das Dichter-Genie noch einmal hochleben lassen. Wie könnte das besser gelingen als mit seinen eigenen Zitaten und Versen …

Extrem umfangreich war Trakls Werk nicht, schließlich vergingen von seinen ersten Gehversuchen als Dichter bis zu seinem Tod kaum mehr als sieben Jahre. Trotzdem werden vier Schaffensphasen mit ihren typischen Merkmalen unterschieden. Wir beschreiben sie jeweils nur kurz – stattdessen lassen wir den Meister selbst zu Wort kommen.

Erste Gehversuche – der junge Georg

Die frühen Werke von Georg Trakl finden sich vor allem in der „Sammlung 1909“ wieder. Schon damals drückte sich das nachdenklich-depressive Wesen des aus gutbürgerlichem Hause stammenden Poeten in seinen Gedichten aus: Es ging oftmals um Abschied, Trauer und Verfall. Im Sinne des Symbolismus BEschrieb er die eigentlichen literarischen Motive jedoch nicht, sondern UMschrieb sie wortgewaltig. Mehr als später kommen in dieser ersten Phase auch noch positive Stimmungen zum Tragen, zum Beispiel in der Gedichtstrophe über einen der drei Teiche in Hellbrunn:

Bilder von Wolken, Blumen und Menschen –
Singe, singe, freudige Welt!
Lächelnde Unschuld spiegelt dich wider –
Himmlisch wird alles, was ihr gefällt!
Dunkles wandelt sich freundlich in Helle,
Fernes wird nah! O freudiger du!
Sonne, Wolken, Blumen und Menschen
Atmen in dir Gottesruh.

Expressionistische Bildsprache

Auch wenn sich Trakls Poesie keiner literarischen Richtung eindeutig zuordnen lässt, wird er oft als früher Vertreter des Frühexpressionismus eingestuft. Das liegt zum einen an Ludwig von Ficker, der mit seiner Zeitschrift „Der Brenner“ ein wichtiger Wegbereiter dieses Stils und auch ein Förderer von Trakl war, zum anderen an der zweiten Schaffensphase des Salzburgers. Er wandte sich zunehmend der Aneinanderreihung von Bildern zu, um daraus einen Gesamteindruck entstehen zu lassen – ein wenig wie ein Beobachter auf einer Parkbank. Im Sammelband „Gedichte“ aus dem Jahr 1913 finden sich viele Beispiele dafür, etwa die ersten beiden Strophen von „Im Herbst“:

Die Sonnenblumen leuchten am Zaun,
Still sitzen Kranke im Sonnenschein.
Im Acker mühn sich singend die Frau’n,
Die Klosterglocken läuten darein.

Die Vögel sagen dir ferne Mär‘,
Die Klosterglocken läuten darein.
Vom Hof tönt sanft die Geige her.
Heut keltern sie den braunen Wein.

Nieder mit den Koventionen

Die dritte Phase wird am besten in der Sammlung „Sebastian im Traum“ deutlich, die erst nach Trakls Tod veröffentlicht wurde. Er bricht nun mit literarischen Konventionen und semantischen Regeln, lässt Themen von einer Zeile in die nächste gleiten und macht Alltägliches bewusst diffus und unklar. Inwieweit seine immer stärkere Drogensucht dabei eine Rolle gespielt hat, ist in der Fachwelt umstritten. Es entwickelt sich jedenfalls ein ganz eigener Trakl-Stil, der sich keiner literaturhistorischen Strömung mehr zuordnen lässt. Beispiel: die zweite Strophe aus „Unterwegs“.

O, wie mild ist der Herbst. Leise klingen unsere Schritte im alten Park 
Unter hohen Bäumen. O, wie ernst ist das hyazinthene Antlitz der Dämmerung. 
Der blaue Quell zu deinen Füßen, geheimnisvoll die rote Stille deines Munds, 
Umdüstert vom Schlummer des Laubs, dem dunklen Gold verfallener Sonnenblumen. 
Deine Lider sind schwer von Mohn und träumen leise auf meiner Stirne. 
Sanfte Glocken durchzittern die Brust. Eine blaue Wolke 
Ist dein Antlitz auf mich gesunken in der Dämmerung.

Der Abgesang auf einen großen Poeten

Richtig düster wurde es kurz vor Trakls Tod. Der erste Weltkrieg war angebrochen, der Dichter als Militärapotheker in der galizischen Stadt Grodek. Er erlebte die Grauen der Schlacht hautnah, musste Schwerverletzte ohne zureichendes Material versorgen und wurde Zeuge mehrerer Hinrichtungen. Er verkraftete diese Eindrücke nicht mehr und starb am 3. November 1914 an einem Herzstillstand durch eine Überdosis Kokain. Sein letztes Gedicht, das er schlicht „Grodek“ nannte, verdeutlicht den apokalyptischen Tenor der vierten Phase. Hier die ersten beiden Strophen:

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.

Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt
Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.

Mehr über Georg Trakl

Der ideale Ort, um noch mehr über das Dichter-Genie zu erfahren und tief in sein Werk einzutauchen, ist die „Georg Trakl Forschungs- und Gedenkstätte“ am Salzburger Waagplatz, übrigens Trakls Geburtshaus. Hier findet man viele Originalmanuskripte, Briefe, Vertonungen, alte und neue Gedichtbände sowie jede Menge Sekundärliteratur. Führungen finden an allen Werktagen um 14 Uhr statt, für Gruppen können auch alternative Besuchstermine vereinbart werden. Hier geht’s zu den Kontaktdaten.

 

Titelbild: SKV/Leopold