Orchester der Salzburger Kulturvereinigung

„Die Vorbereitung auf ein Konzert beginnt ein Jahr davor“

Eine Studentin nimmt neben einem Pensionisten Platz, ein Universitätsprofessor neben einem Installateur. Insgesamt sind es bis zu 60 hochqualifizierte Amateurmusikerinnen und -musiker, die sich im Orchester der Salzburger Kulturvereinigung zusammengefunden haben und mehrmals im Jahr das Kulturpublikum in der Mozartstadt begeistern. Am Dirigentenpult steht seit fast zehn Jahren Helmut Zeilner. Er schildert im Interview mit unserem Blog, warum seine bunt zusammengewürfelte Truppe nicht nur ein immer professioneller werdender Klangkörper, sondern auch ein nachahmenswertes Gesellschaftsmodell ist.

Herr Zeilner, Sie leiten das Orchester der Salzburger Kulturvereinigung und mehrere Chöre, sind Landeschorleiter, Sänger und unterrichten am Musikum Salzburg. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?

Ich finde gerade diese Vielfalt sehr schön. Natürlich muss ich darauf achten, dass nicht alle Projekte gleichzeitig stattfinden. Aber die eigentliche Arbeit sind ja nicht die Auftritte, sondern die Proben und – das geht manchmal unter – die Programmplanung. Die Vorbereitung auf ein Konzert beginnt meistens schon ein Jahr davor.

Kommt die Familie da nicht zu kurz?

Überhaupt nicht. Einerseits, weil ich von mir selbst einfordere, Zeit mit meiner Frau und meinen Söhnen zu verbringen. Andererseits, weil sich daheim, bei einem Waldspaziergang oder auch mal beim Nichtstun im Garten immer wieder Ideen entwickeln, die ich dann in meiner musikalischen Tätigkeit umsetze.

Auch für das Orchester der Salzburger Kulturvereinigung?

Das ist besonders spannend, weil wir gemeinsam immer wieder neue Musik entdecken, aber auch neue Facetten an Stücken, die wir schon aufgeführt haben.

Wie fällt ihre Bilanz nach einem Jahrzehnt gemeinsamer Arbeit aus?

Wir haben von Anfang an eine sehr gute Resonanz zueinander gefunden. Dadurch konnten wir unsere Grenzen ausloten und sukzessive erweitern. Zum Beispiel haben wir 2022 die „Ode an die Freude“ von Beethoven in einer Qualität aufgeführt, die uns davor niemand zugetraut hätte. Oder auch die Ouvertüre aus der „Fledermaus“ von Johann Strauss: Vor ein paar Jahren haben noch alle gemeint, dass die zu schwer für uns ist. Jetzt sind wir so weit, dass wir’s machen. Ich sehe meine Aufgabe schon auch darin, die Musikerinnen und Musiker so zu inspirieren, dass sie über sich hinauswachsen.

Wie funktioniert das?

Es braucht zunächst gewisse Entertainer-Qualitäten, ich will ja Aufmerksamkeit erzielen. Dann muss ich schauen, wie die Menschen in meinem Orchester ticken und was sie von mir brauchen. Das kann durchaus eine gewisse Strenge sein, aber immer positiv und motivierend. Am wichtigsten sind aber Bilder. Wenn ich eine Idealvorstellung von einem Werk in meinem Kopf habe und mich ihr so weit wie möglich annähern will, funktioniert das mit Erklärungen weniger gut als mit Beispielen aus den Lebenswelten der Musikerinnen und Musiker.

Wie schwierig ist es, neue Orchestermitglieder zu finden?

Wir bekommen immer wieder Anfragen. Die Bewerberinnen und Bewerber laden wir dann zum Mitproben ein. Das ist in beiderseitigem Interesse: Einerseits merken sie recht schnell, ob sie das Niveau erreichen, das bei uns gefordert ist. Andererseits ist die Frage, ob sie mit meiner Art zu arbeiten zurechtkommen. Das ist ja auch nicht selbstverständlich.

Und dann kommt wahrscheinlich noch der Faktor Zeit dazu … für Proben und Auftritte?

Das ist eigentlich das geringste Problem. Wen die Musizierleidenschaft einmal gepackt hat, der nimmt sich auch Zeit dafür, weil er im Orchester der Salzburger Kulturvereinigung etwas erlebt, das er sonst nicht erleben würde. Mein bestes Beispiel ist immer unser Uni-Professor – der doziert in Wien und ist trotzdem praktisch jede Woche bei der Probe.

Man hört raus: Als Dirigent und Orchesterleiter muss man sich nicht nur mit Musik auskennen, sondern auch mit Menschen.

Genau das ist das Spannende an dieser Tätigkeit. Ich mag Menschen und ich mag es, Brücken zu anderen Menschen zu bauen. Manchmal ist das ganz leicht, manchmal ist es eine Herausforderung. Aber es ist immer eine lohnende Herausforderung.

Klingt so, als wäre Musik auch eine gute Schule für das Sozialleben.

Mehr als das, ich glaube sogar, dass das Musizieren in Orchestern ein ideales Gesellschaftsmodell widerspiegelt. Hier treten Menschen miteinander in Kontakt, die sonst nie zusammenfinden würden. Sie tauschen sich aus, kommen – das finde ich ganz wichtig – aus ihrer sozialen Blase raus und gewinnen ganz neue Erkenntnisse. Die Leistung der Salzburger Kulturvereinigung, die dieses Orchester ins Leben gerufen hat und ihm bis heute ein perfektes Umfeld inklusive der Auftrittsmöglichkeiten verschafft, ist so gesehen auch in sozialer Hinsicht enorm wichtig.

Was sind die nächsten Highlights Ihres Orchesters?

Ich habe die Fledermaus-Ouvertüre schon kurz angesprochen – die führen wir bei unseren Faschingskonzerten, einer Soiree am 10. und einer Matinee am 11. Februar auf. Wir präsentieren da immer bekannte Walzer und Polkas, aber auch unbekannte Stücke und Filmmusik, diesmal zum Beispiel West Side Story. Daraus ergibt sich ein sehr interessanter und spannender Genre-Mix. Einen zweiten Auftritt gibt’s jedes Jahr im Herbst, wo wir große Orchesterwerke im Programm haben. Dazu will ich noch nicht zu viel verraten, aber wir planen diesmal eine Zusammenarbeit mit einem Posaunenquartett. Auch damit betritt das Orchester der Salzburger Kulturvereinigung Neuland und erweitert seine Grenzen.

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Schon vor seinem Auftritt als Dirigent kann man Helmut Zeilner als Sänger erleben. Am Silvestertag führt er das Publikum in der Szene Salzburg gemeinsam mit dem Ballaststofforchester und dem Programm „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ in die Schlagerwelt der 1920er- und 1930er-Jahre zurück.

 

Bilder: Salzburger Kulturvereinigung/Erika Mayer